Feste Erde

4.6 Absolute und relative Plattenbewegungen

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Video: Absolute und relative Plattenbewegungen

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Eingangsbild: Mauna Kea, Hawai’i, Big Island (Foto: Meschede, 2024).

Kapitel 4.6

Absolute und relative Plattenbewegungen

In diesem Kapitel möchte ich über die Art und Weise sprechen, wie Plattenbewegungen auf der Erde wahrgenommen und beschrieben werden können.

Abb.4.6.1: Relative Plattenbewegungs-geschwindigkeiten an Plattengrenzen. Verändert nach Meschede (2018) und  Frisch & Meschede, (2021).

An divergierenden Plattengrenzen bewegen sich zwei Platten voneinander weg, weil an dem mittelozeanischen Rücken entlang der Plattengrenze neue ozeanische Kruste gebildet wird. Und an konvergenten Plattengrenzen bewegen sich zwei Platten aufeinander zu, wobei eine Platte unter die andere abtaucht, also subduziert und damit wieder in den Erdmantel zurückgeführt wird. Diese Bewegungen sind relativ, d.h. sie beziehen sich auf die gerade betrachtete Plattengrenze. Im globalen Kontext stellt sich aber die Frage, welche Platte sich wohin bewegt.

An der westlichen Plattengrenze der Südamerikanischen Platte (Abb. 4.6.1) wird die Nazca-Platte unter die Südamerikanische Platte subduziert. Es stellt sich hier die Frage, ob sich die Nazca-Platte nach Osten bewegt, wie in den roten Pfeilen, die die der Geschwindigkeitsangabe zu sehen ist, oder ob sich die Südamerikanische Platte nach Westen bewegt. Auch eine Kombination aus beidem ist möglich Das Ergebnis, nämlich dass die Nazca-Platte unter die Südamerikanische Platte geschoben und damit subduziert wird, ist in jedem Fall dasselbe.

Um Bewegungsrichtungen und -geschwindigkeiten bestimmen zu können, brauchen wir ein Bezugssystem. Eine Bewegung kann man im physikalischen Sinne immer nur mit Bezug auf einen anderen Punkt oder ein Objekt definieren. Die Pfeile und auch die Doppelpfeile in Abb. 4.6.1 zeigen die relativen Bewegungen der Platten untereinander an. Damit ist die Bewegung zwischen zwei aneinandergrenzenden Platten gemeint. Das Bezugssystem ist bei dieser Betrachtung eine der beiden Platten. Im Fall einer Subduktionszone (wie z.B. vor der Westküste Südamerikas) ist das ein einfacher Pfeil, der zeigt, mit welcher Bewegungsgeschwindigkeit die jeweilige Platte (hier die Nazca-Platte), genau an dem Ort, an dem der Pfeil eingetragen ist, unter die überfahrende Platte subduziert wird (hier die Südamerikanische Platte). Diese Geschwindigkeit gilt genau an der Position des Pfeiles, etwas oberhalb, so etwa vor der Küsten von Ecuador, ist ein weiterer Geschwindigkeitspfeil auf der Nazca-Platte eingetragen, der hier allerdings nur eine Geschwindigkeit von 7 cm/Jahr zeigt. Die relative Geschwindigkeit zwischen zwei Platten ändert sich entlang der Plattengrenze. Dieser Zusammenhang wurde im Kapitel 4.3 bereits besprochen, wo es um Plattenbewegungen und Rotationen auf der Erdkugel ging. Jede Plattenbewegung auf der Erdkugel kann als Rotation dieser Platte beschreiben werden und entsprechend werden die Bewegungsgeschwindigkeiten zum Rotationspol hin langsamer, die maximale Geschwindigkeit findet sich am Rotationsäquator. Empfehlung: Kapitel 4.3 wiederholen.

Abb. 4.6.2: Alter der ozeanischen Kruste (Meschede, unveröff., 2022, verändert  nach Frisch & Meschede, 2021).

Abb. 4.6.3: Alter der ozeanischen Kruste (Meschede, unveröff., 2022, verändert  nach Frisch & Meschede, 2021) mit der Ausdehung der in den letzten 20 Millionen Jahren entstandenen ozeanischen Kruste am Ostpazifischen Rücken (3000 km) und am Mittelatlantischen Rücken (500 km).

Wie verhält es sich nun mit den Bewegungsrichtungen und -geschwindigkeiten von Lithosphärenplatten im globalen Zusammenhang?

Aus den magnetischen Streifenmuster der ozeanischen Kruste lässt sich deren Altersstruktur ermitteln (Abb. 4.6.2; s. Kapitel 3.8). Es gilt, je breiter die Streifen sind, desto mehr ozeanische Kruste wurde pro Zeiteinheit am mittelozeanischen Rücken produziert und desto schneller bewegen sich die Platten voneinander weg. Aus der Breite der Streifen lässt sich schon in der Übersichtskarte einigermaßen genau berechnen, wie schnell sich die Platten relativ zueinander bewegt haben. Dazu sind einfache Dreisatzrechnungen erforderlich.

Beispiel Ostpazifischer Rücken (Abb. 4.6.3): der rote Streifen zeigt die Ausdehnung der während der letzten 20 Mill. Jahre gebildeten ozeanischen Kruste, die hier ungefähr 3000 km breit ist. 3000 km entsprechen 20 Mill. Jahren (300 Mill. cm / 20 Mill. Jahre = 15 cm / 1 Jahr.). Das entspricht einem Zuwachs von 15 cm pro Jahr, an einer divergierenden Plattengrenze sind dies 7,5 cm auf jeder Seite.

Der rote Streifen am Spreizungszentrum des Atlantiks ist hingegen viel schmaler. Für den atlantischen Rücken (Abb. 4.6.3) gilt: 500 km entsprechen 20 Mill. Jahren. (50 Mill. cm / 20 Mill. Jahre = 2,5 cm / 1 Jahr.). Das entspricht einem Zuwachs von 2,5 cm/Jahr.

Auf diese Weise können relative Plattenbewegungen leicht ermittelt werden. Für die Bestimmung der Plattenbewegungen im globalen Zusammenspiel benötigen wir aber ein Bezugssystem, das unabhängig von Plattengrenzen ist und für alle Platten gleichermaßen gilt. Dafür kommen die Hotspots in Frage, die als ortsfest betrachtet werden. Anders als die Lithosphärenplatten verändern sie ihre Position mit Bezug auf den Erdkörper als Ganzes nicht.

Abb. 4.6.4: Animation eines aufsteigenden Manteldiapirs mit der Entstehung einer Vulkankette und eines Flutbasaltes (Meschede, unveröff., 2024).

Unter Hotspots dringt heißes Mantelgestein aus großen Tiefen nach oben und sammelt sich unterhalb der Lithosphäre in einem Diapirkopf (Abb. 4.6.4). Von dort dringen Magmen nach oben in die Kruste ein und bilden Magmakammern. Die wiederum speisen Vulkane an der Erdoberfläche. Wenn der Hotspot unter einem Ozean nach oben dringt, können sich im Laufe der Zeit über den Magmakammern vulkanische Inseln bilden. Unter kontinentaler Kruste bilden sich oft riesige Vulkansysteme wie z.B. über dem Yellowstone-Hotspot, wovon heute die Yellowstone-Caldera zeugt.

In der Animation sieht man, wie sich die Lithosphärenplatte über den Hotspot hinwegbewegt. Dort, wo die Vulkane nach oben dringen, bildet sich eine Vulkankette. Die Vulkane bilden sich immer nur über dem aufsteigenden Hotspot und wenn die Platte mit dem Vulkan sich aus dem Einflussbereich des Hotspots wegbewegt, nimmt sie den Vulkan mit, der dann erlischt und eine Kette von Vulkaninseln an der Erdoberfläche hinterlässt. In manchen Fällen haben solche Hotspot-Vulkane so viel Material in kurzer Zeit gefördert, dass daraus ein sog. Flutbasalt oder Große Basaltprovinz wird. Das sind die LIPs, L I P steht für large igneous province. Das Thema Flutbasalte wird in einem späteren Video noch detaillierter betrachtet.

Das klassische Beispiel für eine Vulkankette, die über einem Hotspot entstanden ist, ist die Inselkette von Hawaii (Abb. 4.6.5). In der Animation ist dargestellt, wie sich die Inselkette in den letzten 2 Mill. Jahren entwickelt hat. Die Vulkane bilden sich immer über dem Hotspot, durchaus an mehreren Stellen, aber im Prinzip immer mehr oder weniger über dem Zentrum des Hotspots. Mit der Plattenbewegung werden die über dem Hotspot gebildeten Vulkaninseln allmählich aus der Einflusszone des Hotspots heraustransportiert, so dass die Vulkane dann inaktiv werden.

Abb. 4.6.5: Animation Entwicklung der Inselkette von Hawai‘i während der letzten 2 Millionen Jahre (Meschede, unveröff., 2024)

Abb. 4.6.5a: §D-Blockbild der Inselkette von Hawai‘i  (Meschede, unveröff., 2024)

Abb. 4.6.6: Inselkette von Hawai’i mit Altersdaten (Meschede, unveröff., 2024. Topografische/bathymetrische Grundlage 2024 erstellt mit GeoMapApp / CC BY / CC BY (Ryan et al., 2009).

Heute befinden sich die aktiven Vulkane Hawai’is auf Big Island (Abb. 4.6.6). Zu nennen sind der Kilauea, der als einer der derzeit aktivsten Vulkane der Erde gilt, der Mauna Loa brach 1984 letztmalig aus und der Hualalai, der im 18. Jahrhundert mehrfach ausgebrochen war. Vor der südlichen Küste gibt es in weniger als 1000 m Wassertiefe den aktiven Vulkan Lo’ihi, der es vielleicht in einigen tausend Jahren schaffen wird, bis an die Meeresoberfläche zu wachsen. Die Vulkankette von Hawai‘i zeichnet sehr schön die Plattenbewegung der Pazifischen Platte über den Hotspot hinweg nach (Abb. 4.6.6).

Abb. 4.6.7: Hawai’i-Emperor-Seamount-Kette mit Altersdaten (Meschede, unveröff., 2024. Topografische/bathymetrische Grundlage 2024 erstellt mit GeoMapApp / CC BY / CC BY (Ryan et al., 2009).

Die Pazifische Platte bewegt sich vom jüngsten noch aktiven Vulkan in Richtung der älteren inzwischen längst erloschenen Vulkane. Die Vulkankette zieht sich mit Inseln und Seamounts durch den gesamten Nordpazifik hindurch bis in die Subduktionszone vor Kamtschatka, wo man ein Alter der Seamounts von über 80 Mill. Jahren festgestellt hat (Abb. 4.6.7). In der Insel-Seamount-Kette ist ein Knick zu sehen, dort wo die Hawai’i-Inselkette in die Emperor-Seamount-Kette übergeht.

Aus dem Verlauf der Insel-Seamountkette kann man nicht nur die Richtung der Plattenbewegung und ihre Änderung ableiten, es ist auch möglich, die Geschwindigkeit der Platte über den Hotspot hinweg zu bestimmen. Auch hier kann über eine einfache Dreisatzrechnung die absolute Plattenbewegungsgeschwindigkeit im sogenannten Hotspot-Referenz-System errechnet werden. Von den aktiven Vulkanen auf Big Island bis zum Daikakuji-Seamount sind es ziemlich genau 3500 km Entfernung. Der Daikakuji-Seamount war vor etwa 43 Mill. Jahren dort, wo sich heute Big Island befindet. Daraus ergib sich, dass die Platte in 43 Mill. Jahren 3500 km zurückgelegt hat was einer Durchschnittsgeschwindigkeit von 8,14 cm/Jahr entspricht.

Abb. 4.6.8: Globale Verteilung von Hotspots und Hotspotspuren (aus Frisch & Meschede, 2021).

Es gibt auf der Erde eine ganze Reihe solcher Vulkanketten, an denen man die absoluten Plattenbewegungen ablesen kann (Abb. 4.6.8). Auf der pazifischen Platte fällt z.B. auf, dass die vom Macdonald Seamount oder von den Pitcairn Inseln ausgehenden Vulkanketten genau den gleichen Knick wie die Hawai’i-Emperor-Kette aufweisen. Das liegt daran, dass sie auf der gleichen Platte, nämlich der pazifischen Platte liegen. Die geknickten Hotspotspuren werden in einem der nächsten Videos noch etwas genauer betrachtet.

Abb.4.6.9: Absolute Plattenbewegungsgeschwindigkeiten mit Bezug auf das Hotspot-Referenzsystem  Verändert nach Meschede (2018) und  Frisch & Meschede, (2021). Plattenbewegungsgeschwindigkeiten nach Gripp & Gordon (2002).

In Abb. 4.6.9 sind die mithilfe des „plate motion calculators“ der Rice University (Gripp & Gordon, 2002) errechneten absoluten Plattenbewegungsgeschwindigkeiten eingetragen.

Absolute und relative Plattenbewegungen

Absolute und relative Plattenbewegungen Teil 2, Vulkanketten und Transformstörungen  (in Vorb.)