Das Zauberwort heißt „Recycling“. Wie sich dadurch die Rohstoffgewinnung künftig optimieren und teurer Import vermeiden lässt, erklärt Prof. Martin Bertau vom Institut für Technische Chemie an der TU Bergakademie Freiberg im Interview.
1. Smartphone, Auto oder Fernseher – Wir nutzen sie alle, doch kaum jemandem ist eigentlich bewusst, wie viele Rohstoffe in diesen Geräten verarbeitet sind. Ohne Lithium zum Beispiel gibt es keine langlebigen Handyakkus und ohne Indium keine Touch-Screens. Doch die Rohstoffe sind begrenzt. Wie kann die Chemie hier zu einer besseren und nachhaltigeren Versorgung mit Rohstoffen beitragen?
An der an der TU Bergakademie Freiberg setzen wir uns genau mit diesen Zukunftsthemen auseinander. Wir haben dafür vor zwei Jahren den Begriff „Wertstoffchemie“ geprägt. Grund war, dass die gegenwärtige Situation wirtschaftlich kaum sinnvoll ist. Die Verarbeitung von Primärrohstoffen (Bergbau) und Sekundärrohstoffen (Recycling) erfolgt in unterschiedlichen Industrien und unterschiedlichen Märkten zu unterschiedlichen Qualitäten, Stichwort Downcycling.
Viel sinnvoller sind daher Verfahren, die Rohstoffe herkunftsunabhängig entlang einer einzigen Prozesslinie zu einer einheitlichen Qualität verarbeiten. Zudem erfordert das getrennte Aufarbeiten einen überproportional hohen Einsatz an Energie, die in Deutschland nicht zur Verfügung steht. Hinzu kommt, dass der Chemiker dank seiner Stoffkenntnis über Methodiken verfügt, mit welchen sich komplexe Trennprobleme lösen lassen. Eine besondere Bedeutung wird der Chemie hier beim Spalten von komplexen polymetallischen Gemisch sowie Legierungen zukommen. Chemie und Metallurgie ergänzen sich so wirkungsvoll.
Wie keine andere Disziplin kann die Chemie so dazu beitragen, die Anforderungen der Energie- und Rohstoffwende – einschließlich der CO2-neutralen Produktion – zu meistern. Für mich ist sie eine Schlüsselwissenschaft des 21. Jahrhunderts.
2. Trotzdem werden immer noch Rohstoffe aus anderen Ländern teuer importiert – zum Teil unter menschenunwürdigen und umweltschädlichen Bedingungen. Was können wir dagegen tun?
Wir müssen ehrlich sein. Ein Großteil der bergwerklichen Förderung entstammt Ländern mit geringen Umweltschutz- und Arbeitsschutzstandards. Das bekannteste Beispiel ist Kobalt für Lithiumbatterien, das im Kongo durch Kinderarbeit gewonnen wird. Unsere Gesellschaft wird sich darauf verständigen müssen, unethischen Förder- und Gewinnungsbedingungen eine Absage zu erteilen. Wir können unsere Umweltprobleme und unsere CO2-Emissionen nicht einfach so in Drittländer verlagern und dann so tun, als ob wir die Umwelt- und Klimaschutzstandards erfüllen.
Dazu gehört auch ein gesellschaftlicher Transformationsprozess hin zu neuen, sauberen bergbaulichen Gewinnungstechnologien und einer sauberen Schwerindustrie als wirtschaftliches Rückgrat. Unsere Gesellschaft muss wieder offener werden für neue Technologien und neue systemische Ansätze für eine Rohstoffindustrie – hierin liegen Chancen für die Zukunft, die für Europa überlebenswichtig sind.