KLIMAFORSCHUNG
Ein bedeutender natürlicher Klimazyklus, der Wirbelstürme und Europas Wetter steuert, existiert gar nicht. Das sagt jetzt ausgerechnet einer seiner Entdecker. Schuld waren Vulkane.
von Lars Fischer
Auch Europa hat seine ozeanische Klimawippe, ganz wie El Nino im Pazifik – nur viel langsamer. Über 40 bis 60 Jahre wechselt der Nordatlantik von warm zu kalt und zurück. Dieser Zyklus, Atlantische Multidekadische Oszillation (AMO) genannt, beeinflusst den Regen in den Alpen ebenso wie Wirbelstürme in der Karibik und den Monsun in Indien. Er gilt als bedeutende Komponente des globalen Klimasystems. Doch nun behauptet ausgerechnet jener Forscher, der dem Klimapendel seinen Namen gab: Die AMO existiert gar nicht. Die Schwingung sei ein Trugbild, erzeugt von äußeren Faktoren, schreibt ein Team um Michael Mann von der Pennsylvania State University in »Science«.
Dabei hatte der Klimaforscher nicht nur den Begriff Atlantische Multidekadische Oszillation in die Welt gesetzt, sondern auch Indizien für das Phänomen gefunden, die Jahrhunderte in die Vergangenheit reichen. Im 20. Jahrhundert schienen die regelmäßigen Schwingungen der Oberflächentemperaturen des Nordatlantiks, die das Klimasystem selbst hervorbringt, sogar direkt beobachtet worden zu sein. Messdaten zeigten eine Erwärmung von den 1930er bis 1950er Jahren, während es in den 1960er und 1970er Jahren wieder kälter war, bevor die Meerestemperaturen wieder stiegen. Auch Klimasimulationen brachten Schwingungen hervor, die der AMO ähnelten. Die Belege schienen überzeugend genug, dass die Oszillation seither ihren festen Platz in der Klimaforschung gefunden hatte.
Allerdings war die AMO immer umstritten. Einer der Gründe: Hinter ihr steht die Annahme, dass die globale Erwärmung linear verläuft. Abweichungen davon werden automatisch dem natürlichen Zyklus zugeschlagen. Entsprechend gab es Streit darüber, welcher Anteil der Erwärmung im Atlantik auf die natürliche Schwingung und welcher auf den Klimawandel zurückgeht. Das betrifft vor allem die Debatte über Hurrikane im Atlantik und in der Karibik, die bei höheren Temperaturen häufiger werden. Manche Leute hätten die AMO genutzt, um die Beteiligung des Klimawandels an den aktiveren Hurrikansaisons der letzten Jahre kleinzureden, beklagt sich Mann in einem Blogbeitrag über seine Forschung.