Der Hamburger Exzellenzcluster Climate, Climatic Change, and Society (CLICCS) legt heute eine neue, zentrale Studie vor. Darin prüfen Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler erstmals systematisch, inwieweit eine Klimazukunft mit Netto-Null Emissionen nicht nur möglich ist, sondern auch plausibel. Zum einen technisch-ökonomisch, vor allem aber mit Blick auf die notwendigen gesellschaftlichen Veränderungen. Fazit: Eine vollständige Dekarbonisierung bis 2050 ist derzeit nicht plausibel – der gesellschaftliche Wandel müsste erheblich ehrgeiziger ausfallen.
Die EU verschärft ihre Klimaziele, das Bundesverfassungsgericht verpflichtet Deutschland zu konkreterem Klimaschutz. Sind wir also bereits auf dem Weg in die klimaneutrale Zukunft? „Welche Klimazukünfte plausibel sind, ist nicht nur eine physikalische Frage, sondern aktuell vor allem eine gesellschaftliche”, sagt CLICCS Sprecher Prof. Detlef Stammer von der Universität Hamburg.
„Im ‚Hamburg Climate Futures Outlook‘ prüfen wir die Transformationskraft von gesellschaftlichen Prozessen – und haben dafür eine ganz neue Methode entwickelt. Die Ergebnisse verbinden wir mit naturwissenschaftlichen Erkenntnissen und grenzen so schrittweise ein, was plausibel ist.“
Zu den untersuchten Schlüsselfaktoren, auch Treiber genannt, gehören die Klimapolitik der Vereinten Nationen, nationale Klimagesetze, Proteste und soziale Bewegungen, aber auch die mögliche Abkehr von Investitionen in eine fossile Wirtschaft oder die Berichterstattung in den Medien. Tatsächlich zeigt zurzeit keiner der zehn untersuchten Treiber eine ausreichende Dynamik für eine vollständige Dekarbonisierung bis 2050. Dies wäre aber Voraussetzung, um die Klimaziele des Pariser Abkommens zu erreichen.
Sechs der Treiber unterstützen das Netto-Null-Ziel
Sechs der Treiber weisen allerdings auf eine schrittweise Dekarbonisierung hin: „Die Mehrheit der von uns geprüften Faktoren unterstützt durchaus das Netto-Null-Ziel. So erhält etwa der Faktor Klimapolitik Rückenwind durch den Wiedereintritt der USA in das Pariser Abkommen“, erläutert Prof. Anita Engels, Sozialwissenschaftlerin an der Universität Hamburg und CLICCS Co-Sprecherin. „Gleichzeitig wird es darauf ankommen, wie stark Klimaproteste nach COVID-19 den Druck auf die Regierungen aufrechterhalten können.“ Ein wirksamer Treiber ist auch das Zurückfahren von Investitionen in den fossilen Bereich, das sogenannte Divestment. Jedoch haben Unternehmen oft lange Investitionszyklen, so dass Effekte erst verspätet eintreten. Mehr erfahren…