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Langsame und reguläre Erdbeben wechselwirken in der Nähe von Istanbul

By 13. August 2021Juli 6th, 2022No Comments

Erdbeben dauern typischerweise nur wenige Sekunden, manchmal allerdings laufen die Verschiebungen im Untergrund auch in Zeitlupe ab. Das Verständnis von sogenannten langsamen Beben und ihres Zusammenspiels mit kurzen – teils heftigen – Erschütterungen ist von entscheidender Bedeutung für die Bestimmung der seismischen Gefahr und des daraus resultierenden Risikos. Eine internationale Gruppe um Patricia Martínez-Garzón vom Deutschen GeoForschungsZentrum Potsdam hat jetzt eine Studie in der Fachzeitschrift „Seismological Research Letters“ veröffentlicht, in der sie dieses Zusammenspiel von unterschiedlichen seismischen Ereignissen nahe der Millionenmetropole Istanbul untersucht.

Verdächtige Ruhe an der ‚Seismischen Lücke‘

Die Armutlu-Halbinsel ist aktuell das seismisch aktivste Gebiet direkt südlich der dicht besiedelten Megastadt Istanbul. Die Region ist Teil der Nordanatolischen Verwerfung, die Eurasien von der Anatolischen Platte trennt. Diese geologische Verwerfung ist eine große tektonische Plattengrenze, an der katastrophale Erdbeben auftreten. Das letzte große Erdbeben dieser Art ereignete sich 1999 in der Nähe von Izmit und führte zu fast 20.000 Toten. Ein Teil der Verwerfung, der zwischen Istanbul und Armutlu verläuft, wird derzeit als „seismische Lücke“ bezeichnet, weil dort gewissermaßen eine verdächtige Ruhe herrscht. Die Region gilt daher als überfällig für ein großes Erdbeben.

Beobachtung langsamer Beben

2019 konnten in dieser Region erstmals langsame Erdbeben beobachtet werden, und zwar dank spezieller Bohrloch-Deformationsmessgeräte, die von Forscher*innen des Deutschen GeoForschungsZentrums GFZ in Zusammenarbeit mit der türkischen Katastrophenschutzbehörde (AFAD) und dem US-amerikanischen Institut UNAVCO installiert wurden. Um die langsamen Deformationsprozesse der Erdkruste mit den herkömmlichen, also spürbaren und kurzen Erdbeben in der Region in Verbindung zu bringen, wurde auf der Armutlu-Halbinsel im Rahmen des GONAF-Plattenrandobservatoriums das verdichtete seismisches Netz „SMARTnet“ eingerichtet.

Die Geräte zeichneten im Zusammenhang mit einem herkömmlichen Erdbeben der Stärke 4,6 im Dezember 2018 ein weiteres 30-tägiges langsames seismisches Ereignis auf, vermutlich eine Verschiebung von Gesteinsblöcken in einigen Kilometern Tiefe. Diese wiederum aktivierte dann den flacheren Teil derselben Verwerfung. Danach blieb dieselbe Verwerfung ein ganzes Jahr lang seismisch aktiv, mit mehr als tausend Erdstößen.

Höhere Seismizitätsraten nach größerem Beben

Die in „Seismological Research Letters“ veröffentlichte Studie nimmt diese Beobachtungen als Ausgangspunkt. Sie kommt zu dem Schluss, dass die höheren Seismizitätsraten innerhalb des Jahres nach dem 4,6-Ereignis durch das Auftreten der langsamen Verschiebung im Untergrund sowie durch die Umverteilung von tektonischen Spannungen nach dem Hauptbruch begünstigt werden. „Unsere Deformationsmessgeräte in der Nähe der aktiven Verwerfung ermöglichten die Identifizierung des langsamen Kriechsignals, das vermutlich in geringer Tiefe auftrat und über Wochen verteilt die Energie eines Bebens der Stärke 5,5 freisetzte“, sagt Patricia Martínez-Garzón, Hauptautorin der Studie. Mehr erfahren…