Skip to main content
Aktuelles

Wie heiß darf es sein für das Leben im Ozeanboden?

By 5. Dezember 2020Juli 6th, 2022No Comments

Mikroben besiedeln den Meeresgrund bis in mehrere Kilometer Tiefe. Das ist erst seit rund 30 Jahren bekannt. Dort gilt: Je tiefer desto wärmer. Und so stellt sich die Frage nach dem Temperaturlimit, bei dem Leben noch möglich ist. Dies hat ein großes internationales Forschungsteam untersucht, unter Leitung des MARUM – Zentrum für Marine Umweltwissenschaften der Universität Bremen und der Japan Agency for Marine-Earth Science and Technology (JAMSTEC) – mit Beteiligung von Jens Kallmeyer vom Deutschen GeoForschungsZentrum GFZ. Die Bohrungsexpedition vor Japan zeigte: Auch in 120 Grad Celsius heißen Zonen finden sich noch aktive Bakterien. Die Studie ist heute im Fachmagazin Science erschienen.

Mikroorganismen in marinen Sedimenten sind ein wesentlicher Teil der irdischen Biomasse. Dabei ist etwa die Hälfte des Sediment-Volumens am Meeresgrund wärmer als 40 Grad Celsius. Von einigen besonders wärmeliebenden Mikroorganismen ist bekannt, dass sie bei bis zu 80 Grad Celsius existieren können. Noch höhere Temperaturen ertragen zum Beispiel Archaeen – im Labor hat man kurzzeitig sogar 122 Grad Celsius gemessen. Doch wie wirkt sich eine derartige Hitze langfristig auf solche Lebewesen aus? Um das zu erforschen, braucht es Zugang zu ihren Lebensräumen. Und der ist der Wissenschaft nur mit dem Tiefsee-Bohrschiff Chikyu möglich. Im Nankai-Graben vor Japan gibt es für solche Bohrungen besonders günstige Bedingungen: Dort erreicht man 120 Grad heiße Habitate nicht erst 4000 Meter unter dem Meeresboden, sondern bereits bei 1.180 Metern, bei allerdings 4.800 Meter Wassertiefe. Die Expedition fand im Jahr 2016 im Rahmen des internationalen Bohrprogramms IODP (International Ocean Drilling Program) statt.

Erstaunliche Ergebnisse

Die wesentlichen Befunde: Zum Erstaunen der Forschenden brach die Konzentration von vegetativen Zellen, also Mikroorganismen, die aktiv Stoffwechsel betreiben, bereits oberhalb von 45 Grad Celsius um zwei Größenordnungen ein, auf weniger als 100 Zellen pro Kubikzentimeter. In Sedimenten mit Temperaturen zwischen 75 und 95 Grad Celsius stieg die Zahl an Endosporen rapide an, auf rund 120.000 pro Kubikzentimeter. Endosporen sind Zellen bestimmter Bakterienarten, die zum Überleben unter unvorteilhaften Bedingungen in einen Ruhe-Modus schalten.

Auch bei 120 Grad Celsius gab es noch lebendige Zellen, die metabolisch aktiv waren. Sie setzen Acetat, einen gängigen Bakteriennährstoff, zu Methan um, allerdings nur mit einer extrem niedrigen Rate. Diese sehr schwachen Lebenszeichen konnten nur mit ausgeklügelten, sehr empfindlichen Methoden detektiert werden.

Untersuchungen oberhalb von 120 Grad Celsius waren aufgrund der geologischen Bedingungen vor Ort nicht möglich, weil die Sedimentschicht nicht tiefer reichte.

„Besonders überrascht waren wir von der Tatsache, dass sich oberhalb von 45 Grad Celsius besiedelte Zonen mit solchen abwechseln, in denen gar kein Leben nachweisbar war. Möglicherweise sind sie nicht ganz tot, enthalten aber auf jeden Fall weniger als 16 Zellen pro Kubikzentimeter. Diese Schichten konnten an die 200 Meter dick sein. Darunter, in größerer Tiefe und bei höheren Temperaturen konnten wir dann wieder Mikroorganismen finden“, sagt Jens Kallmeyer vom GFZ. Als Ursache für diese vergleichsweise leblosen Zonen vermuten die Forschenden, dass hier im Laufe der Sedimententwicklung kurzzeitig auftretende extrem hohe Temperaturen alles Leben ausgelöscht haben. Mehr erfahren…