Geowissenschaftliche Bildung – die naturwissenschaftliche Betrachtung der Erde als System – findet in deutschen Schulen kaum statt. Dabei soll schulische Bildung Schülerinnen und Schüler durch die Auseinandersetzung mit Kernproblemen der Gesellschaft
„in die Lage versetzen, Entscheidungen für die Zukunft zu treffen und dabei abzuschätzen, wie sich das eigene Handeln auf andere Menschen, auf künftige Generationen, auf die Umwelt oder das Leben in anderen Kulturen auswirkt.“
(Ministerium für Schule und Berufsbildung des Landes Schleswig-Holstein, 2016), S. 6.
Dazu gehört für die heutigen Schülerinnen und Schüler die Sicherung der natürlichen Lebensgrundlagen mehr denn je.
In Bayern und Baden-Württemberg ist geowissenschaftlicher Unterricht in der Sekundarstufe II bereits jetzt regulär möglich. In anderen Bundesländern richten Schulen in Einzelinitiative geowissenschaftliche Kurse, Wahlpflichtfächer und Arbeitsgemeinschaften ein.
Kernproblem – Sicherung natürlicher Lebensgrundlagen
Wir Menschen können nur wenige Sekunden ohne Luft einer bestimmten Zusammensetzung sein, wenige Tage ohne trinkbares Wasser und wenige Wochen ohne Pflanzen und Tiere als Nahrung, die wiederum auf Nährstoffe angewiesen sind, die letztendlich aus Steinen stammen. Luft, Wasser, Steine und Lebewesen sind unserere natürlichen Lebensgrundlagen und die Erde, wie wir sie heute erleben, ist das Ergebnis von Stoffflüssen und Wechselwirkungen zwischen ihnen. Die Prozesse setzten mit der Entstehung des Planeten Erde ein und dauern bis heute an. Bereiche der Erde, die entweder hauptsächlich von Luft (Atmosphäre), Wasser (Hydrosphäre), Steinen (Lithosphäre) oder Lebewesen (Biosphäre) beansprucht werden sind Teilsysteme des Systems Erde. Dabei gibt es Überschneidungbereiche, so gibt es Lebewesen sowohl im Wasser, als auch in der Luft und den Gesteinsritzen, Wasser gibt es in Form von Wolken in der Atmosphäre und die Gase der Luft kommen auch gelöst im Wasser vor. Erst im Laufe von Milliarden von Jahren entwickelte sich überhaupt Leben auf der Erde und das auch nur im Übergangsbereich der festen Erde und der gasförmigen Hülle, dort wo Wasser in flüssiger Form vorliegt. Wie alle Lebewesen sind auch wir Menschen an unseren Lebensraum angepasst und darauf angewiesen, dass die aktuell für uns noch lebensfreundlichen Bedingungen erhalten bleiben, gleichzeitig beeinflussen wir aber auch die stoffliche Zusammensetzung, die wiederum auf uns zurückwirkt.
Projekt „Forschungsdialog: System Erde“
Mit dem Projekt „Forschungsdialog: System Erde“ hatte das IPN – Leibniz-Institut für die Pädagogik der Naturwissenschaften und der Mathematik in Kiel zu Beginn der Jahrtausendwende die Situation der Geowissenschaften im deutschen Schulunterricht ermittelt, international aktuelle Ansätze der Vermittlung recherchiert, diese im Hinblick auf die Anforderungen an deutschen Schulunterricht analysiert, Lehr-Lernforschung betrieben und schließlich eine Konzeption mit entsprechenden Unterrichtsmaterialien vorgelegt. Dies geschah zusammen mit geowissenschaftlichen Einrichtungen aus dem gesamten Bundesgebiet, Verantwortlichen in den Bildungsministerien, den Fachdidaktiken und Lehrkräften der Biologie, Chemie, Geographie und Physik. 11 Unterrichtsmodule für fachübergreifenden und fächerverbindenden Unterricht und die interaktive CD-ROM „Forschungsdialog: System Erde – Unterrichtsmaterialien für die Sekundarstufe II“ entstanden und wurden Anfang 2006 bundesweit an alle Schulen mit Sekundarstufen II versendet. Die CD-ROM enthält alle Sachinformationen als Hypertexte verlinkt und mit Schlüsselwörten versehen sowie ergänzende Simulationen und Interaktionen. Alle Module stehen als PDF-Files im Archiv des IPN zur Verfügung (https://archiv.ipn.uni-kiel.de/System_Erde/materialien_Sek2_2.html). Für die Grundschulen entstand das Sachbuch „Unsere Erde für Kinder, die die Welt verstehen wollen“, dass 2005 beim Kallmeyer Verlag erschien, ebenfalls mit begleitenden Unterrichtsmaterialien.
Der dem „Forschungsdialog: System Erde“ zugrundeliegende didaktische Ansatz, insbesondere die Vernetzung naturwissenschaftlicher einzelfachlicher Perspektiven mittels Systemkonzept, ist bis heute aktuell und eignet sich in reduzierter Form auch für den interdisziplinären Unterricht in der Sekundarstufe I.