Die Änderung des Meeresspiegels, etwa im Rahmen von Gezeiten, kann Erdbeben auslösen. Das zeigt ein Team um Patrizia Martínez-Garzón vom Deutschen GeoForschungsZentrum GFZ in einer aktuellen Studie im Fachmagazin Geophysical Research Letters. Hierfür erhoben und analysierten sie seismische Daten aus dem Marmarameer südlich von Istanbul, wo ein großes Erdbeben überfällig ist. Die seismischen Effekte, die durch die natürlichen Schwankungen des Meeresspiegels ausgelöst werden, sind so gering, dass sie nur durch den Einsatz neuer Verfahren der Künstlichen Intelligenz und der Bildverarbeitung in den Daten aufgespürt werden konnten. Dass sie bei so schwachen auslösenden Kräften überhaupt auftreten, könnte darauf hindeuten, dass die Verwerfungen in dem untersuchten Gebiet kurz vor dem Versagen stehen und dann weitere Erdbeben ausgelöst werden könnten. Damit wären derartige Analysen ein wichtiger Schritt für eine bessere Gefährdungsvorhersage.
Hintergrund: Rolle von Gezeiten für die Erdbebenvorhersage
Die Gefahr von Erdbeben insbesondere in dicht besiedelten Regionen wie dem Großraum Istanbul besser vorhersagen zu können, ist immer noch eine Herausforderung für die Wissenschaft. Dabei ist es von entscheidender Bedeutung zu verstehen, wie viel Spannung nötig ist, um eine Verwerfung, also eine bestehende Bruchstelle in der Erdkruste, zum Versagen zu bringen und damit ein Erdbeben auszulösen. Ein natürlicher Prüfstein dafür, wie die Erde auf eine Spannungstörung reagiert, sind gut bekannte quasi-periodische Phänomene, zum Beispiel die Gezeitenbewegungen der Ozeane oder saisonale Effekte wie die zusätzlichen Wassermassen aufgrund von Niederschlägen. Mehr erfahren…