Feste Erde

3.8 Entstehung magnetischer Streifenmuster

Video: Entstehung magnetischer Streifenmuster

(Zum Abspielen des Videos bitte auf das Bild oben klicken)

Eingangsbild: Karte der magnetischen Anomalien im Ostpazifik (verändert nach Meschede et al., 1998)

Kapitel 3.8

Entstehung magnetischer Streifenmuster

Bei umfangreichen flächendeckenden Magnetometer-Messungen entdeckten Wissenschaftler in den 60er Jahren des letzten Jahrhunderts die magnetischen Streifenmuster der ozeanischen Kruste. Sie konnten feststellen, dass die magnetische Feldstärke ziemlich regelmäßig stärker und schwächer wird und zwar genau senkrecht zu den Spreizungszonen an denen die Platten auseinanderdriften.

Abb. 3.8.1: Schwankungen der magnetischen Feldstärke („Totalintensität“) als Resultat der Addition bzw. Reduktion der aktuellen und gespeicherten magnetischen Vektoren

Die Messung mit dem Magnetometer, das um die empfindliche Messung nicht durch das Metall des Schiffes, das selbst schon ein Magnetfeld aufspannt, zu verfälschen, in einer Entfernung von mehreren hundert Metern bis zu einem Kilometer hinter dem Forschungsschiff hergezogen wird, zeigt die Intensität des Magnetfeldes. Als Resultat bekommt man eine mehr oder weniger unregelmäßig schwankende Kurve.

In der Abbildung 3.8.1 sieht man oben die in Blau gezeichnete Messkurve eines Magnetometers, das hinter einem Schiff hergeschleppt wurde. Der weitaus größte Anteil der gemessenen Feldstärke, der sogenannten Totalintensität, entfällt dabei auf das aktuell wirkende Erdmagnetfeld. Das sind in unseren Breiten Werte von ungefähr 45.000 nT (Nano-Tesla). Die Schwankungen bei den Magnetometermessungen sind in der Größenordnung viel geringer und liegen im Bereich von einigen hundert nT, die sich aber nicht mit Intensitätsschwankungen des Erdmagnetfeldes erklären lassen, denn eigentlich müsste der Wert überall gleichbleiben. Tatsächlich aber findet man die Schwankungen, die sich als sehr bedeutsam für die Plattentektonik herausgestellt haben.

In diesen Schwankungen zeigt sich die in den Gesteinen des Ozeanbodens gespeicherte magnetische Information, wobei die Polarität des magnetischen Vektors eine wichtige Rolle spielt. Der magnetische Vektor des aktuellen Erdmagnetfeldes ist überall gleich, in diesem Beispiel zeigt er mit 45° Inklination nach Süden, entsprechend der Tatsache, dass der magnetische Nordpol heute im Süden liegt. Der Inklinationswert von 45° zeigt an, dass die Messung auf ca. 60° geografischer Breite erfolgte. Wenn das Magnetometer über die ozeanische Kruste geschleppt wird, dann quert es unterschiedlich alte Bereiche der ozeanischen Kruste und je nachdem welche Polarität des Erdmagnetfeldes im gerade überfahrenen Abschnitt gespeichert ist, kommt es zur Addition der magnetischen Intensität, wenn der magnetische Paläo-Vektor und der aktuelle Vektor in der gleichen Richtung gepolt sind, und zur Reduktion, wenn sie gegenläufig sind. Das ist in dem kleinen Kasten in Abb. 3.8.1 dargestellt.

Abb. 3.8.2: Magnetometermessungen quer zu einer Spreizungszone mit symmetrisch angeordneten Polaritätswechseln

Im Beispiel der Abb. 3.8.2 sieht man einen symmetrischen Abschnitt zu beiden Seiten einer Spreizungszone. Die magnetischen Streifenmuster entstehen parallel zur Spreizungszone und bilden Streifen mit mal der einen, mal der anderen Polarität dadurch, dass die neu gebildete ozeanische Kruste ihre gespeicherte Information mitnimmt. Und da die Spreizung symmetrisch neue ozeanische Kruste produziert, entstehen dementsprechend symmetrische Streifenmuster.

Abb. 3.8.3: Entwicklung des magnetischen Streifenmusters (aus Frisch & Meschede, 2021)

Dieses Prinzip der Bildung von Streifenmuster ist in Abb. 3.8.3 dargestellt. In den farbigen Bereichen entstanden ozeanische Basalte mit normaler Polung, die grauen Streifen zeigen inverse Polung. Auf diese Weise speichert die ozeanische Kruste die zeitliche Entwicklung der Streifen, denn wenn man davon ausgeht, dass die Spreizungsgeschwindigkeit über lange Zeiträume hinweg konstant ist, kann aus dem Abstand der Streifen zur Spreizungszone das Bildungsalter der ozeanischen Kruste errechnet werden.

In dem kurzen Video der Abb. 3.8.4 ist gezeigt, wie die magnetischen Streifen durch das Wegdriften vom Spreizungszentrum entstehen. Die Breite der jeweiligen Streifen hängt von der Frequenz der Umpolungen ab, die zwar immer wieder stattfinden, aber dennoch nicht regelmäßig, womit sie ein eindeutiges Muster erhalten, das ihnen allein aufgrund ihrer Breite im Zusammenhang mit den benachbarten Streifen ein Alter zuweist. Das funktioniert ähnlich einem Strichcode, den wir alle fast täglich an den Kassen unserer Supermärkte verwenden.

Abb. 3.8.4: Video-Animation zur Entwicklung magnetischer Streifenmuster (Meschede, unveröff., 2022)

Abb. 3.8.5: a)Magnetisches Streifenmuster am Reykjanes-Rücken südlich von Island (nach Heirtzler et al.  1966), b) Kurven der magnetischen Feldstärke entlang der Fahrtrouten von Schiffen quer zum Spreizungszentrum des Reykjanes-Rückens (aus Frisch & Meschede, 2021)

Eine der ersten flächendeckenden magnetischen Untersuchungen fand am Reykjanes-Rücken südlich von Island statt. In Abb. 3.8.5 sieht man unten die einzelnen Kurven der Messfahrten, die immer wieder quer zur Spreizungszone des Reykjanes-Rückens gefahren wurden. Aus vielen nebeneinander liegenden Messkurven ergibt sich dann das Streifenmuster parallel zur Spreizungszone. Und wenn man die Messkurven mit der standardisierten magnetischen Zeitskala korreliert, kann man das Alter bestimmen.

Abb. 3.8.6: Datierung des magnetischen Streifenmusters durch Vergleich mit einem magnetischen Standardprofil (vgl. Abb. 3.7.6 in Kapitel 3.7), aus Frisch & Meschede (2021)

Abb. 3.8.6 zeigt ein Beispiel für solch eine Altersbestimmung. Das ist ein Ausschnitt aus der Untersuchung am Reykjanes-Rücken und man hier erkennen, wie fein man mittlerweile über die Magnetostratigrafie das Alter der ozeanischen Kruste bestimmen kann.

Abb. 3.8.7: Beispiel für die Altersbestimmung der ozeanischen Kruste anhand magnetischer Streifenmuster im Pazifik (verändert nach Meschede et al., 2008)

In Abb. 3.8.7 ist ein Beispiel dargestellt, wie man die gesamte ozeanische Kruste mithilfe der magnetischen Streifenmuster altersmäßig einordnen kann. Und es offenbaren sich interessante Zusammenhänge, so z.B. alte, heute deaktivierte Spreizungszonen, die in dieser Abbildung durch die blauen Linien angezeigt werden. Die aktuell aktive Spreizungszone im Pazifik ist der Ostpazifische Rücken, der hier mit der roten Linie dargestellt ist.

Solche Verlagerungen von Spreizungszonen passieren immer wieder im Verlauf der Erdgeschichte und es kommt immer wieder dazu, dass einige Äste komplett eingestellt werden und sich neue Spreizungszonen öffnen. Schließlich reagieren die Plattenbewegungen auf alle Störungen im globalen Gesamtbewegungsbild, denn wenn irgendwo auf der Erde eine Kollision stattfindet, also eine Plattenbewegung gestoppt wird, hat das Auswirkungen auf das gesamte Plattenmuster der Erde.

Abb. 3.8.8: Alter der ozeanischen Kruste  (Meschede, unveröff., 2022, verändert nach Frisch & Meschede, 2021)

Inzwischen sind die Streifenmuster über den ganzen Globus hinweg bekannt und aus diesen Daten ist die Karte mit den Altern der ozeanischen Kruste im globalen Zusammenhang entstanden (Abb. 3.8.8). Man kann sofort erkennen, dass die Spreizungsrate am Ostpazifischen Rücken viel höher war und ist, als im Atlantik. Denn die Streifen sind im Pazifik viel breiter als im Atlantik, eben weil dort in der gleichen Zeit viel mehr ozeanische Kruste gebildet wurde.

Entstehung der magnetischen Streifenmuster