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Eingangsbild: Grabenbruch in der Krafla-Riftzone, an der Erdoberfläche sichtbare Spreizungszone auf Island, Krafla, Island, 2006
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Eingangsbild: Grabenbruch in der Krafla-Riftzone, an der Erdoberfläche sichtbare Spreizungszone auf Island, Krafla, Island, 2006
Die festen Lithosphärenplatten bewegen sich auf der fließfähigen Asthenosphäre. Die nordamerikanische Platte z.B. entfernt sich pro Jahr 2 bis 2 ½ cm von Europa auf der eurasischen Platte. Aber welche Platte bewegt sich denn da eigentlich wohin? Auf einer Kugel ist es nicht ohne Weiteres zu bestimmen, denn bewegt sich Amerika nach Westen und Europa bleibt am Ort, oder bewegen sich Europa nach Osten und Amerika bleibt am Ort, oder bewegen sich beide in verschiedene Richtungen?
Für die mathematische Beschreibung einer Bewegung brauchen wir einen Bezug, ein Objekt bewegt sich von Punkt A nach Punkt B oder, anders ausgedrückt, man steht am Ort A und ein Objekt bewegt sich von einem weg zu Punkt B. So können wir auch Plattenbewegungen beschreiben. Wir brauchen zur Beschreibung der Plattenbewegungen einen Bezugspunkt oder ein Referenzsystem. Wenn wir das Beispiel der Bewegung zwischen Amerika und Europa betrachten, dann bewegt sich Amerika mit etwas mehr als 2 cm/Jahr von Europa weg – in dem Fall ist die europäische Platte das Referenzsystem: Amerika bewegt sich relativ zu Europa um 2 cm nach Westen. Damit wird die relative Plattenbewegung und eine relative Bewegungsgeschwindigkeit zwischen Amerika und Europa beschrieben. Andersherum funktioniert es ebenso: Von Amerika aus betrachtet bewegt sich Europa um 2 cm nach Osten. Das Ergebnis ist am Ende das Gleiche. Um zu bestimmen, in welche Richtung die Plattenbewegungen auf der Kugel stattfinden, benötigen wir ein Referenzsystem, das unabhängig von den Lithosphärenplatten ist und im Unterschied zu den Platten ortsfest bleibt.
In den Abb. 3.6.1 und 3.6.2 ist ein vereinfachtes Schema eines Spreizungszentrums mit der Entwicklung von einem schmalen zu einem breiten Ozean dargestellt. Die Spreizungsbewegung ist immer symmetrisch, da die ozeanische Kruste zu gleichen Teilen an beiden Seiten angelagert wird. Die Abbildung entspricht in etwa der Situation zwischen Amerika und Europa vor über 100 Millionen Jahren kurz nach der Öffnung des Atlantiks. Zwischen den beiden Platten wird die in jedem Jahr entstehende Lücke von 2 cm mit neuer ozeanischer Kruste gefüllt. 1 cm davon gehört zu Amerika, 1 cm zu Europa. Im Fall 1 (Abb. 3.6.1) wird angenommen, dass die Spreizungszone ortsfest ist. Hier bleibt der Spalt weiterhin in der Mitte, während die beiden Platten sich nach rechts und links wegbewegen.
Im Fall 2 (Abb. 3.6.2) wird die rechte Platte als ortsfest angesehen. Daraus ergibt sich, dass die Spreizungszone verlagert wird, wobei sich die linke Platte mit doppelter Geschwindigkeit und das Spreizungszentrum mit einfacher Geschwindigkeit von der rechten Platte wegbewegt. Das Ergebnis ist am Ende das gleiche wie in Fall 1, indem zu beiden Seiten des Spreizungszentrums gleich viel neue ozeanische Kruste gebildet wurde.
Der wesentliche Unterschied zwischen den beiden Modellen ist, dass im ersten Fall die Spreizungszone als ortsfest betrachtet wird, während sie im zweiten Fall ihre Lage verändert. Das ist vor allem mit Blick auf die Mantelströmungen in der fließfähigen Asthenosphäre von großer Bedeutung, denn es ist tatsächlich so, dass die Spreizungszonen nicht ortsfest sind.
Um auf der Erdkugel bestimmen zu können, in welche Richtung sich eine Platte bewegt, braucht man ein Referenzsystem, das unabhängig von den einzelnen Platten ist. Hotspots sind Fixpunkte, die über viele Millionen Jahre in Bezug auf die Erdkugel ortsfest sind. Man kann dass z.B. daran erkennen, dass die Platten sich über die Hotspots hinwegbewegen. Mit ihrer Hilfe können wir die wirklichen Plattenbewegungen auf der Erde feststellen, man spricht dann von den absoluten Plattenbewegungen im Unterschied zu den relativen, die sich immer nur auf die Bewegung zwischen zwei Platten beziehen.
Abb. 3.6.3: Relative und absolute Plattenbewegungs-geschwindigkeiten (aus Frisch & Meschede, 2021)
In der Karte in Abb. 3.6.3 sind mit weißen Pfeilen die relativen Plattenbewegungen zu sehen, also z.B. die schon erwähnten 2 cm zwischen Europa und Nordamerika oder 3,4 cm zwischen Südamerika und Afrika. Gelbe Pfeile zeigen die absoluten Plattenbewegungen, die für die Platte als Ganzes gelten und nicht nur an den jeweiligen Plattengrenzen, wie bei relativen Plattenbewegungen. Man sieht, dass die relativen Bewegungen ein und derselben Platte durchaus unterschiedlich sein können, so bewegt sich z.B. die Indisch-Australische Platte vor Java mit 8 cm/Jahr auf Eurasien zu, am Himalaya sind dies aber nur noch 5 cm. Das hängt mit der Kugelform der Erde zusammen wird in einem späteren Kapitel zur Geometrie der Bewegungen noch näher erläutert. Afrika bewegt sich mit ca. 0,5 cm/Jahr sehr langsam nach Norden, Südamerika zeigt dagegen eine etwas größere Geschwindigkeit von 3,4 cm nach Westen. Die Spreizungsgeschwindigkeit in der Mitte des Atlantiks ist ungefähr gleich groß und das hat seinen Grund, denn die Afrikanische Platte kann man fast als ortsfest betrachten, wie im schematischen Beispiel der Abb. 3.6.2.
Abb. 3.6.4: Animiertes Modell für die Öffnung des Südatlantiks mit Bezug zum Hotspot-Referenzsystem. Afrika wird als weitgehend ortsfest betrachtet, während Südamerika nach Westen driftet (Meschede, unveröff., 2022).
Am Beispiel der Spreizung zwischen Südamerika und Afrika lässt sich zeigen, wie sich die Platten voneinander wegbewegen. Der Südatlantik öffnete sich vor etwas mehr als 110 Millionen Jahren und seitdem driftet die Südamerikanische Platte mit Bezug auf das Hotspot-Referenzsystem nach Westen, d.h. hier handelt es sich um die absolute Plattenbewegung (Abb. 3.6.4). Die Afrikanische Platte blieb fast ortsfest, sie driftete nur ein bisschen nach Norden, nicht jedoch nach Westen. Daraus ergibt sich die sich kontinuierlich verändernde Lage des Spreizungszentrums, das sich in diesem Fall ebenfalls nach Westen verschiebt, allerdings nur halb so schnell wie die Westdrift der Südamerikanischen Platte.
Abb. 3.6.5: Lavasee im Halema‘uma‘u-Krater, Kilauea, Hawai‘i, USA (USGS, 2016)
Wie solche Spreizungszonen funktionieren und wie sich ihre Lage immer wieder ändert, lässt sich modellartig sehr schön in einem aktiven Lavasee beobachten. Über die Webseite des United States Geological Survey USGS ist ein Zeitraffer-Video abrufbar ist, das 2016 im Halema-uma-u-Krater des Kilauea auf Hawaii aufgenommen wurde. Man sieht die sich öffnenden roten Spalten, aus denen flüssige Lava austritt. Zu beiden Seiten erkaltet sie und wird schwarz, deswegen ist das so gut erkennbar. Ebenso ist zu erkennen, wie sich die Spalten, die man als Modell für die Spreizungszonen heranziehen kann, verlagern. An den Spalten kommt das heiße Material nach oben, wie an den mittelozeanischen Spreizungszonen und es ist sehr eindrücklich zu sehen, wie sich diese Spalten verlagern, sie sind nicht ortsfest und sie bewegen sich mal langsamer, mal schneller, aber sie verändern ständig ihre Lage. Auf geologische Zeiträume von vielen Millionen Jahren bezogen, kann man sich die Verlagerung der mittelozeanischen Spreizungszonen vorstellen.
Abb. 3.6.6: Lavasee im Halema‘uma‘u-Krater Kilauea, Hawai‘i, USA als Modell für Spreizungszonen über kleinräumigen Konvektionszellen (Foto: Ivan Vtorov, 2012, Wikipedia; Skizze: Meschede, unveröff., 2022).
In einem brodelnden Lavasee sind kleine Konvektionszellen unter den immer wieder aufbrechenden Spalten in denen die Wärme nach oben transportiert wird. In der Skizze in Abb. 3.6.6 sind die Konvektionsströme unter der abgekühlten und dann festen Lavadecke dargestellt. Nach unten gehen die Ströme an den Seiten, so wie man es im Video Abb. 3.6.5 sehen kann.